Die DDR ist seit 25 Jahren Geschichte, doch ihre Spuren lassen sich im Osten der Stadt noch überall finden. An manchen Orten scheinen sozialistischer Alltag, Stasi und ostdeutsche Unterhaltungskultur so real, als wäre die Mauer nie gefallen und West-Berlin ein anderer Planet. Wir haben elf Vorschläge, wie ihr fernab von Checkpoint Charlie und Trabbi-Safari auch ohne Zeitreisekapsel einen ganzen Sonntag wie in der DDR verbringen könnt.
1. Zionskirche
Seit den Tagen, als die Kirche Systemkritikern und Umweltaktivisten Unterschlupf gewährte, hat sich hier trotz langjähriger Sanierungsarbeiten nicht viel verändert. Das marode Interieur und der Putz, der von den Wänden blättert, versprühen einen morbiden Charme. Die Infotafeln erinnern an die bewegte Geschichte der Kirche als Ort des friedlichen Widerstands, aber auch an neuere Proteste wie die auf dem Maidan in Kiew 2014. Von der Aussichtsplattform des Kirchturms hat man einen wunderschönen Blick über Mitte und Prenzlauer Berg, allerdings ist der Aufstieg auch für Nicht-Klaustrophobiker eine ziemliche Herausforderung.
Zionskriche | Griebenowstraße 19, Prenzlauer Berg | Sonntag: 12.00–17.00 Uhr | Haltestelle Zionskirchplatz (Tram M1) oder Rosenthaler Platz (U8)
2. Allee der Kosmonauten
Wer sich am Rosenthaler Platz in die M8 Richtung Osten setzt, landet irgendwann an der Allee der Kosmonauten in Lichtenberg, einer monströsen Hochhaus-Prachtmeile, die ihren Namen den Raumfahrern Waleri Bykowski und Sigmund Jähn verdankt. Der Weg dorthin führt durch die oft triste, aber immer eindrucksvolle Kulisse schier endloser Plattenbau-Siedlungen. Hier ist Berlin noch die Hauptstadt der DDR.
Haltestelle Allee der Kosmonauten/Rhinstraße oder Springpfuhl (Tram M8)
3. Museumswohnung WBS 70
Von außen sehen Plattenbauten ziemlich bedrohlich aus, dabei können sie in ihrem Innern mitunter ganz gemütlich sein. Die Museumswohnung WBS 70 in Hellersdorf sieht noch genauso aus wie 1987. Alle Möbel und Einrichtungsgegenstände dieses sozialistischen Wohntraums stammen aus original DDR-Produktion, inklusive Spanplatten-Schrankwand, Spitzendeckchen und grüner Velours-Couchgarnitur.
Museumswohnung WBS 70 | Hellersdorfer Straße 179, Hellersdorf | Sonntag: 14.00–16.00 Uhr oder nach Absprache: +49 (151) 16 11 44 40
4. Café Sybille
Eröffnet wurde das Café Sybille 1953, im Jahr von Stalins Tod. Neben Kaffee und Kuchen gibt es eine Daueraustellung über die Geschichte des Cafés und seiner Nachbarschaft. Den minimalistischen Einrichtungsstil haben die Betreiber bis heute beibehalten, allerdings gibt es inzwischen W-LAN. Anschließend lohnt sich ein Spaziergang entlang der Karl-Marx-Alle, um die beeindruckenden sowjetischen Zuckerbäcker-Bauten zwischen Alex und Frankfurter Tor zu bewundern und sich ein bisschen wie in Moskau zu fühlen.
Cafè Sibylle | Karl-Marx-Allee 72, Friedrichshain | Sonntag: 10.00–19.00 Uhr | Haltestelle Weberwiese (U5)
5. Dauerausstellung in der Kulturbrauerei
Die Dauerausstellung “Alltag in der DDR” gewährt einen Einblick in das tägliche Leben der Menschen unter der Führung des SED-Regimes. Anstatt sich endlose Texte auf Infotafeln durchlesen zu müssen, kann man sich hier alte Ost-Werbung, Alltagsgegenstände und eine nachgebaute Kaufhalle mit original Ostprodukten anschauen. Die Ausstellung ist überraschend bunt, verbreitet aber trotzdem keine naive Ostalgie, weil sie neben erstaunlichen DDR-Souvenirs auch zeigt, wie sich das System in den Alltag jedes einzelnen Bürgers einmischte. Der Eintritt ist frei.
Kulturbrauerei | Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg | Sonntag: 10.00–18.00 Uhr | Haltestelle Eberswalder Straße (U2)
6. Kino International
Im Kino International feierten seit den frühen 60ern zahlreiche internationale Filme ihre DDR-Premiere. Zu Erstaufführungen von heimischen Filmproduktionen ließen sich auch Mitglieder des Politbüros blicken. Da es nur einen einzigen Kinosaal gibt, ist die Filmauswahl sehr begrenzt. Dafür lohnt sich ein Besuch allein schon, um bei einem Drink das 60er-Jahre-Flair des Foyers und die Aussicht durch die riesigen Panoramafenster zu genießen.
Kino International | Karl-Marx-Allee 33, Friedrichshain | Öffnungszeiten und das aktuelle Programm findet ihr hier | Haltestelle Schillingstraße (U5) oder Alexanderplatz (U2, U5, U8, S5, S7, S75)
7. Stasi Museum
Das Museum im ehemaligen zentralen Komplex des Ministeriums für Staatssicherheit bietet nicht nur einen Einblick in die original erhaltenen Arbeitsräume von Erich Mielke und seinen grauen Herren, sondern zeigt auch mit welchen technischen Mitteln Mitarbeiter der Stasi die Bürger bespitzelten. Das Leben der Anderen erscheint hier unheimlich real.
Stasi Museum | Ruschestraße 103, Lichtenberg | Sonntag: 12 – 18 Uhr | Haltestelle Magdalenenstraße (U5), Rathaus Lichtenberg (Tram M13)
8. Café Datscha
Die Datscha ist mit ihrem russischen Dekor und ihren verwinkelten Sitzecken nicht nur unglaublich gemütlich, hier gibt es neben neben Borschtsch und ausgezeichneten hausgemachten Wareniki auch 15 verschiedene Sorten Wodka, zum Beispiel mit Honig, Pfeffer oder Pinienkernen. Zum Sonntagsbrunch drängen sich die Gäste so eng zusammen wie die Bewohner einer sowjetischen Kommunalka.
Café Datscha | Gabriel-Max-Straße 1, Friedrichshain | Sonntag: ab 9 Uhr | Revaler Straße (Tram M10)
9. Majakowskiring
Fernab von Plattenbauten und Arbeitersiedlungen, machten es sich hier zu DDR-Zeiten die Parteifunktionäre in prachtvollen Altbauvillen gemütlich. Auf einem Spaziergang durch das auch im Winter grüne Pankower Elitenviertel lassen sich die ehemaligen Wohnhäuser von Walter Ulbricht, Erich Honecker oder Günther Schabowski bewundern. Der Majakowskiring war übrigens das eigentliche Ziel von Udo Lindenbergs Sonderzug nach Pankow.
Haltestelle Pankow Kirche (Tram M1)
10. Führung durch die Volksbühne
Die alte Volksbühne wurde während des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört und Anfang der 50er als hauptstädtisches Theater im puristischen Stil wieder aufgebaut. 1975 feierte hier “Die Schlacht” des subversiven Dramatikers Heiner Müller seine Premiere, das sich trotz lauter Kontroversen ganze 10 Jahre lang im Spielplan behaupten konnte. An diesem Sonntag bietet die Volksbühne eine 90-minütige Führung an, bei der Interessierte nicht nur die Möglichkeit haben, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, sondern auch alles über die Architektur, die Bühnentechnik und die bewegte Geschichte des Theaters zu erfahren. Der Gang durch Castorfs heilige Hallen kostet sozialistisch günstige 3 Euro.
Volksbühne | Linienstraße 227, Mitte | Führung am Sonntag, den 29.11., um 13.30 Uhr | Haltestelle Rosa-Luxemburg-Platz (U2)
11. Gedenkstätte Hohenschönhausen
Es gibt bestimmt Schöneres, als einen Sonntag in den düsteren Zellen eines ehemaligen Stasi-Gefängnisses zu verbringen, aber ein Besuch der Gedenkstätte Hohenschönhausen lohnt sich trotzdem. Schon allein deswegen, weil man nach einer zweistündigen Führung durch eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte enorm dankbar dafür ist, wieder raus in die Freiheit zu dürfen.
Gedenkstätte Hohenschönhausen | Genslerstraße 66, Hohenschönhausen | am Sonntag stündlich Führungen zwischen 10 und 16 Uhr, Führungen auf Englisch um 11.30 und 14.30 Uhr | Haltestelle Freienwalder Straße (Tram M5)
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Titelfoto: © ElephantinBerlin; Museumswohnung: © Nino/FlickrCC; Volksbühne: © Matze Hielscher; Kino International: © Kino International
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